Die Gerechten
von Albert Camus
Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel
Premiere am 10. September 2010 im Malersaal.
Wir befinden uns im vorrevolutionären Russland. Eine Gruppe von Mitgliedern der Partei der Sozialrevolutionäre plant ein Bombenattentat auf den Großfürsten. Ihr Ziel ist die Befreiung des Volkes von der Tyrannei des Zarenregimes. Die Vorbereitungen sind getroffen. Erwartungsvoll blicken alle Augen auf den charismatischen Revolutionär Janek Kaljajew, der den Großfürsten auf dem Weg vom Palast zum Theater in die Luft jagen soll. Doch es kommt anders als geplant: In der Kutsche sitzen auch Nichte und Neffe des Großfürsten – die Anwesenheit der Kinder lässt Janek zögern. Der erste Attentatsversuch misslingt, und zwischen den Revolutionären entbrennt eine Debatte darüber, wie weit der Einsatz von Gewalt im Kampf um Gerechtigkeit gehen darf.
Wir dringen in das Innere einer Terrorzelle ein: Da ist Stepan, der verhärtete Gerechtigkeitsfanatiker, der nach Haft, Folter und Flucht voller Hass ist und sogar Kinder für die "gerechte Sache" opfern würde. Ihm stehen die Liebenden Janek und Dora gegenüber, die sich mit ihrem Glauben an eine humane Gerechtigkeit gegen diese unerbittliche Position wenden. Da ist der Anführer der Truppe, Boris, der zwischen diesen beiden Positionen zu vermitteln sucht. Und schließlich der junge Alexej, der sich vom Studium abgewandt hat, um das Unrecht zu bekämpfen, aber erkennen muss, dass er der Aufgabe nicht gewachsen ist. Sie alle befinden sich in einer existenziellen Situation. Wir werden Zeugen ihrer Zweifel und ihres Ringens um Gerechtigkeit, Liebe und Leben.
Camus’ Drama wird oft verkannt als ein Thesenstück. Tatsächlich analysiert er mit gedanklicher Präzision die unterschiedlichen Positionen zur Frage der Legitimität politisch motivierter Attentate. Seine dramatische Qualität gewinnt das Stück aber vor allem dadurch, dass diese ideologischen Positionen in den handelnden Personen leibhaftig verkörpert werden. Der Widerspruch zwischen ihrer ideologischen Haltung und ihrem Mensch-Sein durchzieht nicht nur die Diskussionen unter den Revolutionären, die sich darüber nicht verständigen können, sondern er geht als Riss durch Camus’ Menschen selbst, bis sie an ihm zerbrechen. Mit Camus werfen wir einen Blick in die Geschichte des Terrorismus und gelangen dabei zu Fragen der Legitimität von politischen Anschlägen. Für ein junges Publikum ist dieses Stück besonders geeignet, sind seine Protagonisten doch in ihrer Suche nach Gerechtigkeit und Liebe, wie Enzensberger sie nannte, »Träumer des Absoluten«.
Fotos © Sinje Hasheider
Regie: Alexander Riemenschneider Bühne: Katrin Plötzky Kostüme: Rimma Starodubzeva Musik: Gregor Schwellenbach Licht: Andreas Juchheim Dramaturgie: Stanislava Jević
Pressestimmen
Hamburger Abendblatt
Riemenschneider gelingt es mit seinem klugen Zugriff, die thesenhafte Dialektik des Camus-Dramas in eine szenisch sinnliche zu übertragen.
Die Welt
Das Junge Schauspielhaus hat mit dieser Inszenierung wieder mal Jugendtheater-Maßstäbe gesetzt.